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CDU-Politiker erzürnt über EU-Lobbying der Kirchen

Der Sitzungssaal des Europaparlaments: Noch ist ungewiss, wie die Abstimmung zu den Zertifikaten ausgeht Der Sitzungssaal des Europaparlaments: Noch ist ungewiss, wie die Abstimmung zu den Zertifikaten ausgeht
Der Sitzungssaal des Europaparlaments: Noch ist ungewiss, wie die Abstimmung zu den Zertifikaten ausgeht
Quelle: picture alliance / dpa
Vor einer wichtigen Abstimmung im EU-Parlament zum Emissionshandel werben „Misereor“ und „Brot für die Welt“ offensiv für eine Neuregelung. In Teilen der Union sorgt die Kampagne für großen Unmut.

„Frau Merkel will es. Herr Schäuble will es. Herr Altmaier will es. Klimaschutz.“ So beginnt eine Anzeige der christlichen Hilfswerke „Misereor“ und „Brot für die Welt“, die am Wochenende in deutschen Tageszeitungen geschaltet wurde.

Sie richtet sich an die Abgeordneten des europäischen Parlaments, die am 16. April in Straßburg über die Neuregelung des Emissionshandels abstimmen werden. „Bringen Sie das Schiff sicher in den Hafen – Stimmen Sie bitte für den Klimaschutz!“, fordern die Hilfsorganisationen weiter.

Die Entscheidung im Parlament ist völlig offen

Dass die kirchlichen Organisationen so kurz vor der Abstimmung am Dienstag noch einmal derart öffentlich versuchen, Einfluss zu nehmen, hat einen Grund. Der Ausgang der Abstimmung in Straßburg ist völlig ungewiss.

Am Ende wird es vor allem auf die größte Fraktion im Parlament ankommen, die konservative EVP. Obwohl sich dort eine Mehrheit gegen den Vorschlag ausgesprochen hat, gibt es auch unter den Christdemokraten Befürworter – und eine ganze Reihe Unentschlossene.

Und so ist unklar, ob das Pro-Lager aus Grünen, Linken und Teilen der Sozialdemokraten am Ende einen Sieg davon tragen wird – oder eben doch die Skeptiker den Vorschlag der EU-Kommission ausbremsen, mit dem das kriselnde Emissionshandelssystem wieder auf Vordermann gebracht werden soll.

Weniger Verschmutzungsrechte auf dem Markt

Konkret geht es bei der Abstimmung im Parlament um das sogenannte Backloading: Durch einen staatlichen Eingriff sollen vorübergehend 900 Millionen Emissionszertifikate aus dem Markt genommen werden. Von der Verknappung der CO2-Verschmutzungsrechte erhofft man sich eine Anhebung des zuletzt auf vier Euro gesunkenen Preises.

Am Ende steht dabei ein Ziel: Es sollen mehr Anreize für die Unternehmen geschaffen werden, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Vor allem die energieintensive Industrie bezieht Stellung gegen diesen Eingriff, denn sie fürchtet die zusätzlichen finanziellen Belastungen, wenn CO2-Emissionen wieder teurer werden.

Kirchliche Hilfsorganisationen beziehen Stellung

Zumindest für Misereor und Brot für die Welt ist der Fall klar: Die europäischen Abgeordneten müssen unbedingt für den Vorschlag der Kommission stimmen. Weil der Markt von Anfang an mit Zertifikaten überfrachtet worden sei, stecke der Klimaschutz nun in einer schweren Krise. „Diesen Fehler gilt es nun zu beheben. Sonst wird das Schiff sinken“, appellieren die Hilfsorganisationen an die Parlamentarier.

So viel Engagement sorgt in Brüssel für Irritationen, wie nun ein Brief zeigt, der der „Welt“ vorliegt. In dem Schreiben, das an die Spitzen der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland gerichtet ist, kritisieren die christdemokratischen Europa-Abgeordneten Herbert Reul und Markus Pieper die Lobbyarbeit der Hilfsorganisationen.

Unmut in Brüssel über kirchliches Lobbying

Anzeige

So ist dort unter anderem die Rede von Positionspapieren, die Misereor und Brot für die Welt gemeinsam mit Lobbyisten der Energieindustrie verfasst haben sollen. „Ein derartiges Vorgehen bei industriepolitischen Themen steht nicht im Einklang mit dem Ruf der christlichen Kirchen als allgemeine moralische Instanz“, heißt es dazu unter anderem in dem Brief von Reul und Pieper.

Weiter fordert das Schreiben die Kirchen dazu auf, „ihre gesellschaftliche Gesamtverantwortung wahrzunehmen und (...) nicht undifferenziert einseitig Partei für oder gegen begründete Klimaszenarien zu beziehen“.

In ihren Anzeigen begründen die christlichen Hilfsorganisationen ihr Engagement mit der Verantwortung als Christen für die Bewahrung der Schöpfung: „Unsere ganze Kraft gilt der Armutsbekämpfung. Ohne Klimaschutz wächst die weltweite Armut.“

Backloading sorgt auch in Berlin für Streit

Die Reform des Emissionshandels sorgt aber nicht nur in Brüssel zwischen Abgeordneten und den Kirchen für Streit. Das Thema Backloading entzweit auch die Bundesregierung. So ist der deutsche Umweltminister Peter Altmaier (CDU) aus Gründen des Klimaschutzes dafür – Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) jedoch mit Verweis auf zu große Belastungen für die Industrie dagegen.

Und die Bundeskanzlerin? Angela Merkel (CDU) hat sich in der Frage bislang noch nicht eindeutig positioniert – entgegen dem, was die Hilfsorganisationen in ihrer Anzeige behaupten. Und so sorgt der Streit in Merkels Kabinett dafür, dass Deutschland in Brüssel bei den Beratungen bisher keine Meinung vertreten hat.

Diese Leerstelle wird gefüllt von anderen, die den unentschlossenen unter den Abgeordneten bei der Meinungsfindung behilflich sein wollen. Unter die üblichen Verdächtigen, wie der Industrielobby, haben sich nun auch die evangelische und katholische Kirche gemischt.

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