Wessen Wunsch sind „Wunschkinder“?

Jedes Kind, so schallt uns aus der Welt entgegen, solle ein „Wunschkind“ sein. Ist es nicht das beste für alle Beteiligten, für Vater, Mutter und auch das Kind selbst, wenn es aus dem freien Entschluss, dem freien Kinderwunsch der Eltern hervorgeht? Diese Idee klingt so verführerisch wie ein frischer, saftiger Apfel im Paradies, und sie ist in der Tat verführerisch. Denkt man über sie nach, dann scheint die Vorstellung einer Welt glücklicher Eltern auf, die glückliche Kinder haben, und das ist natürlich eine glückliche Welt aus glücklichen Familien. Doch nicht selten täuscht das Vorstellungsbild, das eben durch säuselnde Worte der Verführung in die Irre geleitet werden kann. Dies gilt auch für die Wunschkind-Ideologie.

Denn „Jedes Kind ein Wunschkind“ ist zweideutig. Es kann bedeuten, dass Eltern immer in der Geisteshaltung verharren sollten, dass ein Kind, das jetzt gezeugt und bald geboren würde, wirklich und wahrhaft ein wünschenswerter Segen sei. Doch so wird es in der Regel eben nicht verstanden. Wer von „Wunschkindern“ redet, der meint in Wahrheit geplante Kinder: Kinder, die dann (und nur dann) auf die Welt kommen sollen, wenn sie den Eltern gerade genehm sind. Die Vorstellung des „Wunschkindes“ impliziert bereits die Vorstellung unerwünschter Kinder.

Wer fordert, jedes Kind möge ein Wunschkind sein, der fordert damit im Umkehrschluss, jedes Kind, das von den Eltern nicht erwünscht wird, möge als kleine Kinderleiche vorgeburtlich entsorgt werden. Wunschkindideologie ist nichts anderes als Abtreibungsideologie.

Woher kommt die Vorstellung, es solle von den Wünschen der Eltern abhängen, ob ein Kind geboren werde? Diese Vorstellung kommt aus der Verhütungsmentalität. Sie besagt, dass Eltern selbst die Entscheidung treffen sollen, ob und wann neues Leben in die Welt kommen darf. Wenn in den Köpfen die Verhütung als Selbstverständlichkeit, als Normalität verankert ist, dann ist die Kinderlosigkeit die „normale“ Option geworden. In der Regel ist Sexualität nicht mehr mit der Schaffung neuen Lebens verbunden. Der Mensch kontrolliert durch Verhütung vielmehr, dass seinen fleischlichen Vergnügungen nicht mehr die natürliche Verantwortung gegenüber steht, infolge besagter Vergnügungen nunmehr für ein Menschenleben da sein zu müssen. Sexualität soll folgenlos sein, damit sie gefahrlos als Freizeitvergnügen zur Erholung konsumiert werden kann. Das ist die Verhütungsmentalität in Reinform.

Wenn man dann irgendwann, wie es meist früher oder später geschieht, den Wunsch nach einem Kinde verspürt, dann wird das Türchen zum neuen Leben, das bisher durch Verhütung versperrt wurde, einen Spalt geöffnet, zu einem sorgfältig ausgewählten Zeitpunkt, an dem das Kind gerade nicht stört, in der Absicht ein „Wunschkind“ auf die Welt zu bringen. Auch das Kind gerät dabei, ebenso wie die Sexualität, zum Konsumgut der Eltern. Das sieht man schon daran, dass der Ruf laut wird, Eltern, die, wenn ihr imperialer Wille es fordert, kein Kind „produzieren“ können, ein solches Kind durch künstliche Befruchtung zu verschaffen. Wir können das Konsumgut Kind nicht selbst herstellen; wir wollen aber ein Stück Kind konsumieren – also, schafft es herbei, auf dass unser imperialer Wille befriedigt werde.

Das „Wunschkind“ ist dasjenige Kind, das gnädig auf die Welt gelassen wurde, um ein Konsumbedürfnis seiner Eltern zu befriedigen. Die Vorstellung des „Wunschkindes“ entspringt aus der Verhütungsmentalität, durch die Sexualität zum Konsumgut, zur Ware wird*, und macht seinerseits folgerichtig das Kind selbst ebenfalls zum Konsumgut der Eltern.

Dabei bleibt die Kehrseite des Wunschkindes immer der „Unfall“, durch den neues Leben – mangels (sachgerechter) Anwendung der Verhütungsmittel oder durch ihr Versagen – in die Welt kommt. Solcher Unfall wird nun tendenziell zum Abfall, was wiederum logisch ist, denn „jedes Kind“ soll ja ein Wunschkind sein. Alle Kinder, die sein dürfen, sind Wunschkinder. Nicht-Wunschkinder, „Unfälle“, können, dürfen, sollen nicht mehr sein. Wie gesagt, Wunschkindideologie ist fast immer auch Abtreibungsideologie.

Was ist dieser moralisch verarmten Vorstellung vom „Wunschkind“ entgegenzusetzen? Sollen Eltern sich denn keine Kinder wünschen? Was ist die Alternative?

Die Alternative ist, dass die Eltern gerufen sind, ihren eigenen Willen, ihren eigenen Wunsch zurückzustellen. Wenn Gott einem Ehepaar ein Kind, zwei Kinder, elf Kinder zu schenken wünscht, dann sind alle diese Kinder Geschenke Gottes, die in Demut und in gläubiger Überzeugung, dass der Herr für die Seinigen sorgen wird, angenommen und geliebt werden müssen.

Die Alternative zur Wunschkindideologie und zur Verhütungsmentalität, aus der sie entspringt, ist die Haltung, dass Kinder Geschenke Gottes sind. Nicht der Elternwille, sondern der Wille Gottes ist ausschlaggebend. Nicht mein Wille geschehe, sondern Deiner, Herr! Das muss der Wahlspruch christlicher Elternschaft sein.

Der pervertierte Satz, jedes Kind solle ein Wunschkind sein, gelangt so zu seiner echten, christlichen Bedeutung. Jedes Kind ist bereits hier und heute, faktisch, in Wirklichkeit, ein Wunschkind, nämlich ein Kind, das allein auf Wunsch Gottes geschaffen und gezeugt worden ist. Gott erschafft die Seele eines jeden Kindes direkt und den Körper des Kindes indirekt durch den vermittelnden körperlichen Zeugungsakt der Eheleute. Der freie Willensentschluss der Eheleute zum Kind besteht in der Durchführung dieses Zeugungsaktes, nämlich des ehelichen Verkehrs. Mit der Einwilligung in die Durchführung des ehelichen Verkehrs ist in eins gesetzt die Einwilligung in die Erschaffung eines neuen Menschenlebens, so Gott es denn will. Diese freie Einwilligung muss nicht gegeben werden. Aus schwerwiegenden, guten Gründen können Eheleute für eine gewisse Zeit oder sogar dauerhaft auf diese Einwilligung verzichten, indem sie den Akt, der zur Zeugung von Kindern führen kann, nicht ausüben. Doch wenn sie durch ihre Körper im Sexualakt die freie Einwilligung bekennen, dann ist sie unwiderruflich gegeben, und Gott kann und wird sie öfters nutzen.

Das auf diese Weise gezeugte und geborene Kind, das Kind von Eheleuten, die den ehelichen Akt in Offenheit zum Leben vollziehen, ist immer und überall ein Wunschkind, denn die Eheleute wissen ja, wozu der eheliche Akt Gott ermächtigt! Dieses Niveau an Sexualaufklärung hat wohl jeder erwachsene Mensch. Sie müssen also, wann immer sie ihn ausführen, damit rechnen, dass Gott ihnen ein neues Leben schenken wird. Öfters wird dies unerwartet sein, und manchmal wird es den Eheleuten gerade überhaupt nicht passen.

(Ob es wohl Maria gepasst hat, als der Engel ihr erschien und sie zur Kooperation aufforderte? Bestimmt hatte sie gerade wichtige Dinge vor und hätte sich, nach ihrer menschlichen Weisheit, sicher noch kein Kind gewünscht.)

Ob es aber gerade passt oder nicht, jedes Kind ist ein Wunschkind Gottes, und wenn wir Gott wirklich lieben, dann werden wir auch jedes Kind lieben (und seine Existenz wünschen!), so wie Gott es liebt und seine Existenz wünscht.

Und dann ist auch jedes Kind für uns Menschen ein Wunschkind, weil es der Wunsch Gottes ist, und wir uns diesen Wunsch gläubig zu eigen machen, und nicht umgekehrt.

Die Vorstellung der Welt ist, dass ein Kind zu erscheinen habe, wenn die Frau, die Mutter sein möchte, dies begehrt. Menschen hätten, so behaupten inzwischen sogar manche Gerichte, ein „Recht auf Kinder“**. Dieses herbeikommandierte Kind, das Produkt des Egoismus, wird dann propagandistisch zum „Wunschkind“ verklärt.

Die diametral entgegengesetzte Vorstellung der christlichen Religion ist, dass ein Kind erscheint, wenn Gott dies begehrt. Und ein „Recht auf Kinder“ haben die Eheleute nicht. Kinder sind kein Recht, sondern ein Geschenk. Niemand hat ein „Recht“ darauf, beschenkt zu werden. Geschenke bekommt man als Beschenkter immer gratis, also aus Gnade.

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*kein Wunder, dass die Prostitution, in der Sexualität als Ware verkauft wird, in der heutigen Gesellschaft nicht mehr als moralisch verwerflich, sondern nur noch als potenziell unhygienisch und ausbeuterisch gegenüber der sich prostituierenden Frau gesehen wird. Auch dies ist ein Symptom der Verhütungsmentalität.

**Dieses Recht auf Kinder wird dann, im nächsten Schritt, als Hebel für die Einführung der Homo-Adoption verwendet; da „eingetragene Partnerschaften“ ja nicht zur natürlichen Kinderzeugung fähig sind, müsse ihnen zur Erfüllung ihres Rechts auf Kinder mindestens die Adoption zugestanden werden.

Enthaltsamkeit

Als ich noch ein Atheist war, wurde ich in der Schule mit knapp 16 Jahren gefragt, ob ich denn noch „Jungfrau“ sei. Ich bejahte dies und wurde fast ausgelacht für diese Antwort. Ich muss wohl einer von ganz wenigen gewesen sein. Auch damals war mir intuitiv klar, dass sexueller Kontakt etwas ganz Persönliches, ganz Besonderes ist, das Intimste, das zwei Menschen miteinander teilen können. Und dass man deswegen sexuell enthaltsam leben solle, mindestens, bis man sicher sei, den richtigen Partner fürs Leben gefunden zu haben. Ich hätte dies damals sicher nicht zu einer allgemeinen Regel erhoben, und ich wusste auch nicht so recht, was eigentlich an vorehelicher Sexualität falsch war. Es mangelte auch nicht an Anpassungsversuchen an die Welt. Doch je mehr ich mich von der Richtigkeit der modernen Auffassung zu überzeugen versuchte, umso weniger gelang es mir. Dies war einer der ersten Auslöser, mich mit christlichen Positionen zu beschäftigen – sie waren die einzigen, die solche Ansichten auch vertraten. Alle anderen sahen sexuelle Enthaltsamkeit als etwas Schreckliches an. Und meine Mitschülerinnen hatten, so zumindest mein Eindruck, nichts Eiligeres zu tun, als endlich nicht mehr Jungfrau sein zu müssen. Die meisten waren es wohl mit 15 oder 16 auch nicht mehr. Bei den Mitschülern sah es nicht anders aus, allenfalls noch schlimmer.

Aus meiner heutigen Perspektive kann ich sagen, dass meine damalige Haltung richtig war. Sie hat mich nicht nur vor großem psychischen Leid bewahrt, wie es nur allzu typisch für den modernen Jugendlichen ist, sondern auch einen Grundstein für meine spätere Empfänglichkeit für christliches Gedankengut gelegt. Hier war eine Sympathie zwischen meinen Intuitionen und der Haltung der Kirche – eine kleine Ritze im Panzer der Ablehnung Gottes. Diese Ritze hat Gott für einen massiven Angriff auf meine Trutzburgen genutzt und sie alle, nacheinander, systematisch, zum Fallen gebracht.

Man könnte sagen, er habe mich erobert.

Für unverheiratete Menschen ist Enthaltsamkeit schwierig. Manche sagen sogar, sie sei unmöglich. Die Tugend der Keuschheit verlangt allerdings entweder absolute eheliche Treue oder absolute sexuelle Enthaltsamkeit. Kein Seitensprung hier und da ist in der Ehe erlaubt. Und außerhalb der Ehe ist ebenfalls kein Seitensprung erlaubt.

Wer noch nicht verheiratet ist, der ist bereits gegenüber seinem zukünftigen Ehepartner verpflichtet, diesem treu zu sein, denn Treue gilt lebenslang, und das bedeutet auch vor der Ehe.

Wer nicht verheiratet ist, weil er sich ganz Gott hingeben möchte, und eine Berufung in dieser Richtung verspürt, dem ist dieselbe absolute Treue nicht gegenüber seinem zukünftigen Ehepartner, sondern gegenüber Gott selbst geboten.

Immer ist es absolute Treue – gegenüber dem Menschen, oder gegenüber Gott. Absolute Treue ist schwer. Die Tugend der Keuschheit ist daher ein Schutzwall um die Treue, und dieser Schutzwall verlangt die Beschränkung auf höchstens einen Menschen, dem man diese Intimität schenkt.

Warum nur ein Mensch im ganzen Leben? Die Ehe ist eine Institution der Ganzhingabe, weil sie eine Institution der absoluten Treue ist. Man ist mit Leib und Seele verheiratet. Man ist „ein Fleisch“ geworden. Da sind natürlich immer noch die zwei Körper, doch sie sind zu einer Einheit verschmolzen. Nichts wird da zurückgehalten. Die Einheit steht nicht unter dem Vorbehalt der Fortexistenz emotionaler Zuneigung. Sie steht nicht unter dem Vorbehalt ökonomischer Bequemlichkeit. Sie steht nicht unter dem Vorbehalt der Pille oder des Kondoms – Kinder können ja hinderlich sein. Sie steht unter gar keinem Vorbehalt. Sie verlangt die Aufgabe aller Reserven, bis hin zur Selbstaufgabe. Sie verlangt die Bereitschaft, sich für den Ehepartner hinzugeben, ja sogar für diesen zu sterben, wie Christus am Kreuz für Seine Braut gestorben ist.

Solange wir geistliche Kondome tragen, um uns vor der unheimlichen Befruchtung durch den Opfertod Christi für uns, dir wir Glieder Seiner Braut sind, zu schützen, solange wir auch nur die kleinste Reserve vor Ihm zurückhalten, solange werden wir auch nicht fähig sein, alles unter Christus unserem Ehepartner zu geben. Solange werden wir auch körperliche Kondome tragen und die Empfängnis des neuen Lebens mit „Anti-Baby-Pillen“ verhindern. Denn es gibt eine ganz fundamentale Korrespondenz zwischen dem geistlichen und dem körperlichen Teil des Menschen. Die Sakramente beweisen es: Sie sind körperliche, materielle Zeichen für geistliche Realitäten, doch sie deuten nicht nur auf diese Realitäten hin, sondern sie bewirken sie wahrhaftig. Körperlichkeit und Geistigkeit entsprechen einander. Sie sind zwei verschiedene Ebenen, natürlich, aber zwei Ebenen derselben Realität. Und dies ist eine Realität der Inkarnation, der Fleischwerdung Gottes. Materielle und spirituelle Wirklichkeit durchdringen einander, bis sie manchmal kaum voneinander unterschieden werden können. Das Kondom ist eine Trennwand zwischen den Partnern beim Sexualakt. Es symbolisiert – und realisiert zugleich – die Trennwand in den Seelen der Partner. Es verkörpert eine seelische Realität, selbst wenn diese Realität nicht bewusst reflektiert wird. Sowohl körperliche als auch geistige Realität sind objektiv und sie haben eine Sprache, die wir sprechen, ob wir wollen, oder nicht.

Das Verhütungsmittel sagt – ob wir wollen oder nicht – „ich halte eine Reserve vor Dir. Ich gebe mich Dir nicht ganz hin. Ich will mir alle Optionen offenhalten. Wer weiß, was geschieht, wenn wir wirklich ernst machen.“ Denn dann ist alles möglich – wie immer mit Gott. Dann kann das ganze Leben aus der Bahn geworfen werden. Vielleicht können wir uns die Kinder gar nicht leisten. Wir müssten kürzer treten. Die Frau müsste ihren Beruf aufgeben, um die Kinder zu versorgen. Das wäre alles so hinderlich!

Ja, das wäre es. Ganzhingabe, absolute Treue, vollständige Selbstaufgabe, Verlust des eigenen Selbst in den Armen des Anderen unter Gott, das ist schwer, das ist hinderlich. So schwer, so hinderlich, wie das Kreuz, an dem Er sich für uns ganz hingegeben hat, an dem Er Seinem Vater absolut treu war, und sich vollständig selbst aufgegeben hat, bis zum Verlust des eigenen Selbst durch den Foltertod.

Das ist das Wesen unserer Religion.

Nein, die Ehe ist einmalig, weil man sich nur einmal verschenken kann. Deswegen ist sie übrigens auch nicht wirklich vereinbar mit der anderen Art, sich selbst zu verschenken, nämlich der geistlichen Berufung, besonders dem Priestertum. Wer sich einmal ganz verschenkt hat, der hat sich nicht mehr. Der Andere hat ihn. Er kann nicht mehr einfach so über sich verfügen.

Und weil die Ehe einmalig ist, kann man sie auch nicht vorwegnehmen, indem man sie vorher einfach simuliert oder ausprobiert. Gott vergibt alle unsere Fehler und Sünden, auch die Sünden gegen die Keuschheit, die mit vorehelicher Sexualität einhergehen, wenn wir um Vergebung bitten, und umkehren. Doch sie bleiben Fehler und Sünden, und es ist weitaus besser, wenn man sie nicht begeht.

Außerdem ist Enthaltsamkeit nicht nur sittlich richtig, sondern auch schön. Denn wer sich ganz aufbewahrt für den Anderen, der hat einfach mehr zu verschenken, wenn es dann soweit ist.

Drei einfache Beobachtungen

1. Abtreibung ist nach katholischer Lehre grundsätzlich verwerflich, auch wenn sie in den ersten Stunden oder Tagen nach der Befruchtung stattfindet. Da es sich bei Abtreibung um die Tötung eines unschuldigen Menschen handelt, reicht selbst ein geringer Verdacht, es könne zur Abtreibung kommen, bereits aus, um die Einnahme der „Pille danach“ kategorisch abzulehnen. Auch wenn es einige Studien gibt (auf die sich die deutschen Bischöfe jetzt berufen wollen), nach denen die „Pille danach“ womöglich ohne nidationshemmende (=frühabtreibende) Wirkung funktioniert, gibt es ebenso Studien, die das genaue Gegenteil behaupten. Die Wirkweise ist nicht endgültig geklärt. Es ist also keinesfalls auszuschließen, dass es durch die „Pille danach“ zu Frühabtreibungen kommt.

Im Zweifelsfall daher für das Leben und gegen die „Pille danach“.

2. Die Tötung unschuldiger Menschen ist auch dann nicht erlaubt, wenn eine Vergewaltigung vorhergegangen ist. Die Tatsache, dass die Mutter vergewaltigt wurde, entschuldigt nicht, dass sie ihr Kind (durch die Einnahme einer möglicherweise frühabtreibenden Medikation) womöglich tötet. Selbstverständlich kann durch die Situation extremer psychischer Belastung, der eine Frau infolge einer Vergewaltigung oft ausgesetzt ist, im Einzelfall die Schuldfähigkeit der Frau mindern, doch Abtreibung bleibt eine Todsünde und eine Abtreibung billigend in Kauf zu nehmen, indem man die „Pille danach“ nimmt (oder sie einer Frau anbietet, verabreicht, verschreibt etc.) ist nicht viel besser. Übrigens kann das Kind am allerwenigsten für seinen Vater. Wer gegen die Todesstrafe für Vergewaltiger ist, der sollte die Todesstrafe für das Kind des Vergewaltigers erst recht ablehnen.

Vergewaltigung rechtfertigt also keinesfalls, die Tötung des unschuldigen Kindes billigend in Kauf zu nehmen, wie dies bei der Einnahme der „Pille danach“ geschieht.

3. Verhütung ist nach der Lehre der Kirche ein intrinsisches Übel, d.h. sie kann nicht durch die Umstände gerechtfertigt werden. Sie ist an sich moralisch falsch. Es gibt einige orthodoxe katholische Theologen, die die Einnahme eines (nicht-frühabtreibenden) Verhütungsmittels in Extremsituationen rechtfertigen wollen, um ein größeres Übel zu verhindern. Wie auch immer es damit bestellt sein mag – im Falle einer bereits geschehenen Vergewaltigung wird durch die „Pille danach“, selbst wenn sie nicht frühabtreibend wirkt, kein „größeres Übel“ verhindert, sondern die Entstehung eines von Gott selbst geschaffenen Menschenlebens! Das ist kein Übel, sondern ein Segen, wie schrecklich die Umstände seiner Entstehung auch gewesen sein mögen.

Das geschehene große Übel, die Vergewaltigung, kann durch eine nachträgliche Verhütung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie ist unwiderruflich geschehen. Die Frage bleibt nur, was man dann aus der Situation macht. Wie gesagt, das Kind kann nichts für seinen Vater. Ich verstehe, dass Frauen nach Vergewaltigungen oft das in ihnen wachsende Leben hassen. Sie müssen es auch, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, nicht großziehen.

Aber sie dürfen es nicht töten und sie dürfen auch keine schweren Sünden (wie Verhütung) begehen, damit sich ihr belasteter psychischer Zustand dadurch bessere.

Zusammenfassung:

1. Abtreibung ist ein intrinsisches Übel, eine schwere Sünde, die niemals zulässig ist, auch nicht zur Verhinderung eines anderen Übels. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

2. Da Abtreibung nicht durch die Umstände gerechtfertigt werden kann, gilt dies auch für Kinder, die von Gott infolge dieses großen Übels Vergewaltigung geschaffen worden sind.

3. Was für Abtreibung gilt, trifft auch für Verhütung zu.

Die Einnahme der „Pille danach“ ist aus diesen drei Gründen auch in Fällen von Vergewaltigung grundsätzlich und generell abzulehnen.

Sie zu empfehlen, zu verschreiben oder zu verabreichen stellt eine Form der Kooperation oder Beihilfe zur Begehung dieser Sünde dar und ist daher ebenfalls auch in Fällen von Vergewaltigung generell und grundsätzlich abzulehnen.

Dies ändert sich auch durch die falsche Meinung der Zeitgeistbischöfe, befeuert von falsch verstandenem Mitleid mit dem tatsächlich schrecklichen Schicksal vergewaltigter Frauen, nicht. Selbst wenn ein Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben der stehenden Haltung seiner eigenen Behörde im Interesse des Zeitgeists widerspricht. Mit dem Bauch zu denken und auf Meinungsumfragen zu hören führt gerade im Feld der Sittenlehre nur allzuoft zu schrecklichen Fehlschlüssen.

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Einige Verweise zum Thema:

Offizielle Stellungnahme der Päpstlichen Akademie für das Leben zur „Pille danach“ (2000) – dürfte wohl höher zu bewerten sein als die persönliche Meinung des Präsidenten… Hier ist keine Spur von moralischem Sentimentalismus bzw. Populismus. Die Wahre Lehre wird klar und deutlich vermittelt.

German Bishops give qualified approval of morning after pill (Life Site News)

World’s Top Authority on morning-after-pill says women must be told it may cause abortions (Life Site News) – Die Studienlage ist eben unklar. Im Zweifel für das Leben.

Vatican versus Vatican (Rorate Caeli) – Verschiedene widersprüchliche Aussagen aus dem Vatikan zum Thema „Pille danach“

Vatican II at 50: German bishops OK abortifacient morning-after-pill (Rorate Caeli)

Pope Benedict: Inaction to the end? (Mundabor)

Mut zur Lebensferne

Immer wieder begegnet mir die Aussage, irgendetwas sei „lebensfern“, „lebensfremd“ oder „weltfremd“. Oft geht es dabei um die Kirche. Es sei etwa lebensfremd, dass die Kirche bis heute die Sündhaftigkeit gelebter Homosexualität oder die grundsätzliche Verwerflichkeit von Verhütungsmitteln lehre. So etwas sei den Menschen von heute nicht mehr zu vermitteln. Es ist lebensfern. Diese Aussage ist in der Regel gleichbedeutend mit: „Es soll geändert werden“. Schließlich, so geht die bekannte Rede, müsse die Kirche zu den Menschen gebracht werden. Die Kirche müsse den Menschen nahe sein.

Natürlich stimmt das in einer gewissen Hinsicht auch. Ein Auftrag der Kirche ist tatsächlich, den Menschen zu helfen. In allen Zeiten hat die Kirche sich für die Armen und Schwachen eingesetzt. Selbst Kirchenfeinde würdigen oft ihre soziale Tätigkeit und kaum jemand möchte ernsthaft auf die Leistungen der Kirche in dieser Funktion verzichten – nicht einmal Claudia Roth. Für diese Aufgabe muss die Kirche also ganz nah bei den Menschen sein. Der Helfer muss nah bei den Menschen sein, um helfen zu können und es bringt nicht viel, wenn der Arzt während einer diffizilen Operation zehn Kilometer von seinem Patienten entfernt ist.

Doch selbst wenn wir dies den Agitatoren der „Lebensnähe“ zugestehen, bleibt doch die Frage übrig, ob sich der Auftrag der Kirche in dieser sozialen Tätigkeit erschöpfe. Es ist notwendig, dass die Kirche den Menschen hilft. Doch reicht das schon? Um welche Hilfe geht es dabei? Ist nicht die Aufgabe der Kirche in erster Linie das Seelenheil der Menschen und hilft sie nicht am meisten, indem sie bei der Erlösung hilft? Ist nicht der größte Dienst am Menschen der Dienst an ihrem Seelenheil? Ist das nicht die wahre Grundlage der kirchlichen Tätigkeit?

Was bedeutet es, einem Menschen zu helfen? Man hilft einem Menschen, indem man ihm gibt, was er braucht. Was er braucht kann durchaus etwas ganz anderes sein, als was er will. Der Helfer, und das gilt bei weltlichen ebenso wie bei geistigen Dingen, steht oft vor der Herausforderung, dass der, dem geholfen werden soll, die Hilfe einfach ablehnt. Im Endeffekt muss man das akzeptieren, wenn es sich um einen mündigen Erwachsenen handelt. Wer die Hilfe ablehnt, dem kann nicht geholfen werden. Wer selbst nach hundertfacher Aufforderung nicht klopfen möchte, dem wird auch nicht aufgetan. Am Ende sind die Menschen für sich selbst verantwortlich, und die Kirche kann sie nicht zwingen, sich helfen zu lassen.

Doch sie kann versuchen, sie zu überzeugen. Wenn ein Mensch eine schwere Krankheit hat, und der Arzt weiß, allein die Therapie „x“ kann ihm jetzt noch helfen, dann wird er versuchen, den Patienten von den Vorzügen dieser Therapie zu überzeugen. Vielleicht ist die Therapie schmerzhaft, doch sie ist notwendig, wenn der Patient überleben möchte. Man könnte sagen, der Arzt sei „lebensfremd“, weil er „unbarmherzig“ die Schmerzen des Patienten ignoriert und einfach mit seiner „dogmatischen“, „rigiden“, „unflexiblen“ Therapie fortfährt, ohne sich um die offensichtlichen Bedürfnisse des Patienten zu kümmern.

Niemand würde dies ernsthaft behaupten. Der Arzt möchte den Patienten retten, und deswegen rät der Arzt seinem Patienten zu der schmerzhaften Therapie. Das ist keine Lebensferne, und keine Unbarmherzigkeit, sondern einfach gesunder Menschenverstand.

Dasselbe gilt für die Kirche. Auch sie möchte den Menschen helfen. Auch die Therapie, die sie den Menschen anbieten kann, hat öfters schmerzhafte Nebenfolgen. Man muss von seinen Sünden ablassen, stetig gegen sie ankämpfen. Man muss umkehren. „Kehrt um! Das Himmelreich ist nahe!“, sagt Jesus. Bei vielen Menschen, etwa bei Ehebrechern, ist es notwendig, den ganzen Lebenswandel zu ändern und völlig neu anzufangen. Das kann schmerzhaft und schwierig sein, und wer wollte es dem Einzelnen verübeln, dass er Ressentiments gegen den Arzt entwickelt, der so eine schmerzhafte Therapie verordnet. Das kommt auch bei wirklichen Ärzten manchmal vor.

Doch allein der gesunde Menschenverstand sagt schon, dass eine notwendige Therapie auch dann notwendig bleibt, wenn sie unangenehm ist. So etwas ist in gewisser Hinsicht „lebensfern“, weil man von dem konkreten Schmerz absehen und gewissermaßen die Vogelperspektive einnehmen muss. Man muss das Ganze in den Blick nehmen. Und vor diesem Ganzen relativiert sich der weltliche Schmerz, der auftritt, wenn etwa der Ehebrecher zu Umkehr, Reue, Buße aufgerufen wird, und den ernstlichen Versuch unternimmt, diesen Weg auch tatsächlich zu gehen.

Aus der Vogelperspektive, ganz fern vom einzelnen, individuellen Leben und seinen alltäglichen und besonderen Sorgen, wird sichtbar, dass der Schmerz der Umkehr, die Umstellung des eigenen Lebenswandels, nicht einmal ein kleines Staubkorn ist, wenn man ihn mit dem Lohn vergleicht, der den Heiligen im Himmel erwartet.

Denn eines wird oft vergessen: Das Leben, das wahre Leben, endet nicht mit dem Tod. Der Tod ist nicht der Anfang vom Ende, sondern das Ende vom Anfang.

Oft ist es daher notwendig, diesem Leben fern zu sein, um jenem ganz nahe zu kommen. Unsere Schätze als Christen liegen im Himmel und nicht auf Erden, und keine noch so attraktive Geliebte kann so verzückend sein, wie die Ewige Anschauung des Herrn, der die Liebe ist.

Aber ja, das ist alles lebensfern und weltfremd. Es holt die Menschen nicht da ab, wo sie sind. Viele werden das weder hören noch verstehen wollen. Es spricht den Menschen von heute nicht an.

Na und?

Homosexualität (5/5)

Die Möglichkeit der Umkehr

Der Mensch ist ein verunstaltetes Meisterwerk. Wunderschön, aber gebrochen. Er bedarf eines großartigen, göttlichen Arztes, um ihn wieder zusammenzuflicken. Dieser göttliche Arzt, Jesus Christus, gibt all diesen gebrochenen Meisterwerken, die auf Erden umherlaufen – ob homosexuell oder nicht – die einzigartige Chance, alle Wunden, alle Brüche zu heilen, wenn sie nur ihre Einwilligung zu der Therapie aus vollem Herzen geben. Diese Therapie heilt aber nicht die äußeren Wunden, sondern die Sünden, die der Mensch auf sich geladen hat. Und diese Sünden sind, wenn man sie nicht vom göttlichen Arzt heilen lässt, wirklich wie innere Verletzungen, die uns Menschen von innen ausbluten lassen, bis wir als blutleere Sklaven der Sünde in die ewige Verdammnis marschieren.

Doch wir, verunstaltete Meisterwerke die wir sind, können (unabhängig von unseren diversen sexuellen Perversionen) von unseren Sünden gereinigt werden, indem wir uns dem göttlichen Arzt aus freiem Willen und mit ganzem Willen hingeben, einwilligen in die Therapie, die er für uns vorgesehen hat, auch wenn diese Therapie oberflächlich betrachtet unangenehm oder gar schmerzhaft ist. Eine solche Einwilligung erfordert aber Vertrauen: Vertrauen, dass Jesus Christus uns nicht enttäuschen wird, dass er immer für uns da sein wird, dass er, auch wenn die Therapie gerade einmal besonders schmerzhaft ist, uns liebt, uns tröstet und uns schützt. Diese Einwilligung in die Therapie des großen göttlichen Heilers ist für alle Menschen gleichermaßen notwendig. Jeder von uns ist ein gebrochenes Meisterwerk. Homosexuelle ebenso wie notorische Faulenzer, gierige Raffzähne, und all die anderen wunderbar liebenswerten, scheußlichen, unnachahmlichen, unerträglichen, unverzichtbaren Sünder, die diesen Planeten bevölkern. Jeder von uns bedarf der Therapie des großen göttlichen Heilers. Niemandem von uns ist damit gedient, eine bestimmte Gruppe von Sündern besonders an den Pranger zu stellen. Aber ebenso ist niemandem damit gedient, eine Gruppe von Sündern zu ignorieren, oder ihnen gar zu erzählen, sie bedürften der Heilung nicht.

Gottes Liebe für die Homosexuellen

Alle homosexuellen Menschen werden von Gott bedingungslos geliebt, und er möchte auf keinen einzigen von ihnen verzichten. Doch gerade deswegen darf die Kirche die Wahrheit nicht verschweigen. Ausgelebte Homosexualität ist, unabhängig von der Frage wie sie entstanden ist oder warum ein Mensch sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt, eine Willensentscheidung. Niemand ist gezwungen mit einem anderen Menschen zu schlafen, gleich welchen Geschlechts. Und eine Willensentscheidung, die sich im Widerspruch zu der von Gott eingerichteten und in Bibel und Überlieferung bezeugten natürlichen Ordnung befindet, nennen wir eine Sünde. Das ist schlicht und ergreifend der Fall und niemandem ist damit gedient, dies zu leugnen.

Gott liebt die Homosexuellen. Deswegen will er sie auch bei sich im Himmel haben. Und daher legt er großen Wert darauf, dass sie ihre Schwächen so weit wie möglich schon in diesem Leben bekämpfen, statt ihre Schwachheit zu leugnen. Wir alle sind schwach. Wir alle werden manchmal schwach. Das ist in Ordnung. Gott kennt unsere Schwäche. Dafür hat er größtes Verständnis. Doch wer fällt, der soll wieder aufstehen – und Gott hilft ihm hoch. Wieder und wieder und wieder und wieder… sooft wie nötig. Gott ist geduldig mit uns. Doch alle Geduld der Welt reicht nicht aus, um jemandem hochzuhelfen, der von sich behauptet, er sei gar nicht gefallen.

Die „stolze“ Homosexuellenlobby

Und damit kommen wir zum letzten Problem. Heute ist es oft so, dass homosexuelle Menschen nicht nur die Lehre der Kirche ablehnen und privat homosexuell sind, ohne sich deswegen als Sünder zu fühlen, sondern auf ihre spezielle Sexualneigung einen gewissen Stolz entwickeln. Sie paradieren durch die Straßen, als ob ihre bestimmte Sexualneigung irgendwie öffentlichen Wert hätte. (Paradoxerweise sind das dieselben Leute, die ständig erklären, ihre Sexualität sei privat und gehe den Staat und die verklemmte Gesellschaft nichts an!)

Diese Gruppe von Homosexuellen leugnet nicht nur, dass ihr Verhalten sündig ist, sondern predigt ihre spezielle Sünde der ganzen Welt als wundervolle Sache. Damit weigern sie sich nicht nur selbst, die Gnade Gottes anzunehmen, sondern sie ermutigen auch Andere, dem Weg fort von Gott zu folgen. Das ist wesentlich schlimmer als nur homosexuelle Akte durchzuführen. Für diese Propagandisten kann die Kirche kein besonders großes Verständnis aufbringen. Selbst zu sündigen ist schlimm genug, doch andere zur Sünde zu animieren oder die Sünde als feiernswert darzustellen ist wesentlich schlimmer. Um wieder auf unser Beispiel mit dem Arzt zurückzukommen: Es ist schlimm genug, seine Krankheit nicht behandeln zu lassen, doch dann draußen herumzulaufen und andere anzustecken setzt dem ganzen die Krone auf.

Vermutlich sind diese „stolzen“ Homosexuellen nach wie vor eine Minderheit. Die meisten Homosexuellen – selbst diejenigen, die die Lehre der Kirche ablehnen – wollen ihren Trieben privat frönen und tun dies auch. Aber es gibt eben auch die radikalen Aktivisten, und das sind die öffentlich sichtbaren Propagandisten einer letztlich moralfreien Sexualität, in der nur noch die Verwirklichung des eigenen Triebes und kurzfristigen Willens zählt, und der andere, der Partner, wahrhaft zum Objekt des Triebes statt zum Subjekt der Liebe wird. Diese Propagandisten können nicht für sich reklamieren, einfach nur das zu leben, was ihre Triebe ihnen sagen.

Schlusswort

Abschließend lässt sich formulieren, dass die Trennung von Sünde und Sünder eine differenzierte Beurteilung der Problematik der gleichgeschlechtlichen Sexualakte ermöglicht. Der Sünder wird geliebt, und gerade deswegen ist die Sünde entschieden abzulehnen.

Homosexualität (4/5)

Der rechte Abgrund

Natürlich, wenn ein Homosexueller stolz auf seine Sexualneigung ist, dann hat er in unserer Gesellschaftsordnung das Recht dazu. Und er kann auch die liebevolle Belehrung durch die Kirche jederzeit ignorieren. Zwang ist grundsätzlich abzulehnen – Bekehrung, Umkehr, Kampf gegen die Sünde kann nicht erzwungen werden, sondern nur aus einer Haltung der Einsicht und einer Willensanstrengung erwachsen.

Wir dürfen den Menschen nicht so lassen wie er ist, denn er ist ein Sünder. Wir müssen den Menschen so annehmen wie er ist, bis auf die Sünde. Doch auch wenn diese Gefahr – die linke Seite des Abgrundes in unserer Metapher – real ist, so gibt es doch auf der anderen Seite eine weitere Gefahr. Denn es gibt – auch in der katholischen Kirche – immer wieder Personen, die Homosexualität an sich als Sünde titulieren, die zum Himmel schreie, als schecklichste Perversion und einiges mehr. Doch auch hier liegt ein nicht ganz falsches, aber eben auch nicht ganz richtiges Fragment der Wahrheit vor. Ja, gelebte Homosexualität ist moralisch verwerflich, und sie ist von Natur aus fehlgeordnet, selbst wenn sie nicht gelebt wird (doch an der natürlichen Fehlordnung trägt der einzelne Homosexuelle keine Schuld). Doch diese „rechte Seite des Abgrunds“ übersieht ein wesentliches Prinzip: Wir sollen zwar die Sünde (in diesem Falle gelebte Homosexualität) hassen, doch den Sünder lieben. Denn der Sünder ist ein unnachahmliches, einzigartiges Abbild Gottes, ein Mensch, eine Person. Doch die Sünde ist nichts dergleichen. Die Sünde ist die schreckliche Perversion, die zum Himmel schreit. Die Sünde, nicht der Sünder, verdient unsere Ablehnung. Der Sünder verdient unser Verständnis, unsere Unterstützung und (wenn er es wünscht) unsere Hilfe. Er verdient all das in seinem Kampf gegen die Sünde.

Der Fehler derjenigen, die radikal gegen Homosexuelle predigen, die (vor allem in manch vergangener Zeit) wirklich den Eindruck erweckten, als kämen Homosexuelle automatisch in den wärmsten Teil der Hölle, besteht darin, dass sie es unterlassen den Sünder von der Sünde zu trennen. Der Arzt trennt das Krebsgeschwür von seinem Patienten – er hasst den Krebs und liebt den Krebskranken. Er tut sein Möglichstes (wenn der Patient das will), um zu heilen, um den Patienten von seinem Krebs zu befreien. Im Felde der Chirurgie ist die Mitarbeit des Patienten während der Operation eher hinderlich, doch im Felde der Bekämpfung von Sünden ist sie unerlässlich. Das ist der Unterschied zwischen den beiden Fällen. Doch die Gemeinsamkeit ist wesentlich größer als der Unterschied. Sowohl der Arzt als auch der besorgte Katholik kämpft gegen etwas, das eindeutig übel ist (Krebs im einen Fall, Sünde im anderen) und vermag wohl zwischen dem Üblen und dem Guten zu unterscheiden. Der Arzt lehnt den Krebs ab, aber er lehnt den Krebs gerade deswegen ab, weil der Krebs den Patienten tötet. Er hasst den Krebs, weil er den Menschen liebt. Dasselbe gilt für den Katholiken. Er lehnt die Sünde (in diesem Fall gelebte Homosexualität) ab, nicht weil er etwas gegen den Homosexuellen hat, sondern weil er etwas für ihn hat. Er hasst die Sünde, weil er den Sünder liebt. Er hasst die Sünde, weil er den Sünder retten will.

Dies vergessen radikale Prediger gern. Sie verdammen den Sünder, weil er sündig ist, doch werfen dabei Sünder und Sünde in einen Topf. Der gute Katholik folgt allerdings dem Lehramt der Kirche und unterscheidet scharf, wie mit dem Skalpell, zwischen beidem. Er liebt den Sünder und hasst gerade deswegen die Sünde so sehr. Allerdings gebietet die Liebe gegenüber dem Sünder auch, dass man ihn als Person mit einer unveräußerlichen Menschenwürde anerkennt, und nicht gegen seinen Willen handelt. Man sollte also niemanden „umerziehen“ oder „ummodeln“. Aber man sollte jeden Menschen im Geiste brüderlicher Korrektur auf seine Schwächen, die man an ihm entdeckt, aufmerksam machen und ihm beim Kampf gegen sie helfen. Das gebietet die Nächstenliebe. (Freilich muss man dann auch in der Lage sein, mit einer ähnlichen Kritik, die sich gegen die eigenen Schwächen richtet, umzugehen. Man kann nicht den Splitter im Auge des Nächsten kritisieren, solange man vor dem Balken im eigenen Auge davonläuft, statt ihn zu bekämpfen. Und mit diesem Teil der Gleichung haben wir Menschen oft die größten Probleme.)

Liebt den Sünder – Hasst die Sünde

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die kirchliche Position eine vorbildliche Balance zwischen Exzessen auf der linken und der rechten Seite darstellt. Auf der einen Seite sind diejenigen, die in ihrem wohlmeinenden Eifer, alle Menschen so anzuerkennen wie sie sind, die Sünde gleich mit in den Rang des Würdesubjekts, das gefeiert werden soll, erheben. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die in ihrem genauso wohlmeinenden Eifer nicht nur die Sünde selbst, sondern auch den schwachen Menschen, der sich in ihrem gierigen Griff befindet, verdammt. Doch oft genug können Menschen gar nichts für die Antriebe, mit denen sie aus Gewohnheit, aus psychologischen oder aus genetischen Gründen geschlagen sind, und vor denen sie immer wieder einknicken. In diesem Fall darf man niemals das Kind mit dem Bade ausschütten. Der Homosexuelle bleibt ein Sünder (wie wir alle), aber er bleibt auch ein Würdesubjekt, eine Person, die unsere unbedingte Anerkennung und unsere Liebe verdient. Die Kirche wendet sich mit gleicher Entschiedenheit gegen beide wohlmeinenden Irrtümer und propagiert die authentische Lehre Jesu Christi, durchzogen von größter Liebe gegenüber dem schlimmsten Sünder und daraus folgend einer tiefsitzenden Abneigung gegen die hässlichen Sündennarben, die das Antlitz Gottes in ihm verunzieren.

Homosexualität (3/5)

Der linke Abgrund

Nachdem nun einige populäre Irrtümer über die Haltung der Kirche zur Homosexualität beseitigt sind, wollen wir uns noch kurz der Frage zuwenden, was denn eigentlich die Haltung der Kirche ist.

Um die ausgefeilte Präzision der kirchlichen Position zu diesem Thema, die ganze Komplexität, verstehen zu können, muss man in den Blick nehmen, dass links und rechts neben der lehramtlichen Meinung der Kirche zwei gigantische, geradezu monströse Abgründe klaffen. Auf der einen Seite ist die Ansicht, der Mensch sei genauso zu akzeptieren wie er geschaffen worden sei, und daher dürfe man grundsätzlich niemanden für seine Anlagen und Triebe kritisieren. Denn schließlich sei der Mensch Gottes Schöpfung und Gott weiß was er tut, also ist ein homosexueller Mensch Gottes Wille. Daher, so sagen die Anhänger des Abgrunds auf der linken Seite, müsse man homosexuelle Menschen nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern sie geradezu ermutigen, ihre sexuelle Orientierung auch öffentlich auszuleben, sie positiv zu sehen, sie anzunehmen, nicht mehr gegen sie anzukämpfen und einiges mehr. Doch diese Position hat den riesigen Pferdefuß, dass sie die Glaubenswahrheit der Erbsünde übersieht. Worin besteht dieser Fehler?

Man stellt sich auf den Standpunkt, man müsse den Menschen so annehmen wie er ist. Das hört sich zunächst einmal tolerant und gut an. Und es ist ja auch nicht falsch. Es ist sogar fast richtig – aber eben nur fast. Man soll in der Tat alle Menschen so annehmen wie sie sind – bis auf die Sünde im Menschen. Die Sünde im Menschen trennt diesen im Extremfall von seinem höchsten Zweck (auf ewig das Angesicht Gottes zu schauen). Einen Menschen zu lieben heißt daher nicht nur ihn anzunehmen wie er ist, sondern auch darauf zu hoffen, dass er seine Sünden überwindet. Ja, wir sollen den Menschen annehmen wie er ist. Auch den Homosexuellen? Ja, auch ihn. Aber diese Annahme kann nicht übersehen, dass er einen heftigen Antrieb in sich hat, der ihn von Gott entfernt, der ihm damit objektiv betrachtet schadet. Seit der Erbsünde sind alle Menschen mit diversen moralischen Fehlern geschlagen. Bei Homosexuellen ist es eben eine Unordnung im Sexualbereich, andere bekommen diese Probleme in anderen Lebensbereichen. Doch wo auch immer die moralischen Fehler auftauchen – wahre Liebe gegenüber dem Menschen bedeutet, ihm diese Fehler nicht zu verschweigen und ihm auch nicht einzureden, die Fehler seien in Wahrheit gar keine Fehler.

Im Gegenteil! Wenn wir einen Menschen wirklich lieben, werden wir versuchen mit ihm an seinen Fehlern zu arbeiten. Niemand würde seinem Kind nach einer „5“ in Mathe sagen, Mathe sei doch nicht so wichtig und es solle doch einfach seine „5“ stolz annehmen, sie zelebrieren. Nein, das würden liebende Eltern nicht tun. Auch dann nicht, wenn das Kind aufgrund einer Matheschwäche niemals besonders gut wird werden können. Etwas besser als „5“ geht wahrscheinlich schon. Und dasselbe gilt auch für alle anderen menschlichen Schwächen, auch und gerade im Bereich der Moral. Homosexuelle sitzen damit wieder im selben Boot wie wir alle. Wahrscheinlich wird niemand von uns jemals völlig frei von der Sünde werden – aber wenn wir nicht mehr gegen sie ankämpfen, haben wir schon verloren. Auch Homosexuelle werden wahrscheinlich niemals ihren Trieb loswerden, doch das was zählt ist der Wille, der ernstliche Versuch, gottgefällig, heiliggemäß zu leben. Gottes Gnade wird den Rest dazutun, den ständig fehlenden Rest, den wir niemals aus eigener Kraft herbeischaffen können.

Doch wenn wir, wie die Anhänger des Abgrundes auf der linken Seite, die Sünde zelebrieren, feiern, mit dem gottgefälligen Verhalten „gleichstellen“ wollen, dann ist das ein immenser Fehler. Und es ist auch kein Ausdruck von Liebe, sondern höchstens von gleichgültiger Apathie gegenüber dem Betroffenen.

Homosexualität (2/5)

Wozu Sünden führen

Das Ergebnis aller Sünden ist allerdings die Entfremdung von Gott, da jede Sünde eine (zumindest implizite) Entscheidung gegen Gottes Willen und zugunsten des eigenen Willens darstellt. Jede Sünde ist in dieser Hinsicht eine Art Vergegenwärtigung des Sündenfalls, bei dem Adam und Eva sich gegen Gott entschieden, indem sie ihm nicht den liebenden Gehorsam entgegenbrachten, den sie Gott schuldeten, sondern lieber – seinem Willen trotzend – von dem Baum aßen, von dem er ihnen zu Essen verboten hatte. Jede Sünde ist eine Abwendung des Sünders von Gott. Lässliche Sünden sind kleinere Abwendungen von Gott, die das Band zwischen Mensch und Gott nicht zerschneiden, sondern nur schwächen. Todsünden sind so schwerwiegende Abwendungen, dass durch ihr Begehen der Sünder das ihn mit Gottes Gnade verbindende Band zerschneidet. Gott ist jedoch bei allen Sünden – auch bei schwersten Todsünden – bereit, den Sünder sofort wieder in seine liebevolle Umarmung aufzunehmen, wenn dieser durch echte Reue (und anschließenden Gebrauch des für diese Zwecke eingesetzten Sakraments) seinen diesbezüglichen Willen deutlich macht.

Verwerflichkeit gelebter Homosexualität

Gelebte Homosexualität, die die Kirche als Sünde ansieht, ist also ebenso wie alle anderen Sünden eine Abwendung von Gott. Warum ist sie das? Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen und ihnen aufgetragen fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Zu diesem Zweck gab er dem Mann und der Frau einander ergänzende Sexualorgane, deren vornehmlicher Zweck in der Erfüllung eben dieses Auftrages zu finden ist. Homosexuelle Akte sind ihrer Natur nach aber grundsätzlich unfruchtbar, steril, nicht fähig neues Leben zu schenken. In dieser Hinsicht bewegt sich gelebte Homosexualität in derselben Kategorie wie künstliche Verhütung und ist aus demselben Grund moralisch falsch: Sowohl gelebte Homosexualität als auch künstliche Verhütung machen dem natürlichen Zweck der Sexualität sozusagen einen großen Strich durch die Rechnung. Doch sich dem Willen Gottes zu widersetzen ist eine Abwendung von Gott, da dieser, allmächtig, allwissend und gütig, das, was wirklich und wahrhaftig gut für uns ist, besser kennt als wir selbst (unser Verstand ist oft vernebelt von kurzlebigen Trieben, Ambitionen und Ablenkungen aller Art). Eine Abwendung von Gott ist aber nichts anderes als Sünde. Sünde trennt den Menschen von Gott. Homosexualität ist, sofern man sie auslebt, sündig, also trennt sie ebenso wie jede andere Sünde auch, den Menschen von Gott. Wir sitzen alle im selben Boot. Wir sind alle Sünder, wir alle haben Gottes Gnade schon oft durch unser Handeln auf die Probe gestellt. Homosexuelle nehmen hier wiederum keinerlei Sonderstellung ein. Sie verdienen wie jede Gruppe von Menschen, die mit einem schwer zu beherrschenden Drang zu sündhaften Handlungen ausgestattet ist, unser Mitgefühl, unsere Hilfe bei ihrem Kampf gegen ihre eigenen Schwächen.

Falsche Fährten: Krankheit

Ein letztes populäres Missverständnis ist noch, dass die Kirche Homosexualität als Krankheit sehe. Doch auch dies ist nicht der Fall. Ob die Anlage zur Homosexualität genetisch oder anerzogen ist, behandelt werden kann oder so tief im Menschen sitzt, dass eine Behandlung unmöglich ist, all diese Fragen haben absolut nichts mit der Lehre der Kirche zu tun. Die Kirche maßt sich keine besondere psychologische oder medizinische Kompetenz an. Das ist nicht ihre Aufgabe. Früher gingen die meisten Fachleute davon aus, Homosexualität sei eine Krankheit und dachten sich eine Vielzahl von Therapien aus. Heute sehen viele Fachleute dies als den falschen Weg (allerdings bei weitem nicht alle). Doch wie auch immer diese Fachdebatte ausgehen mag, und was auch immer in dieser Frage die Wahrheit sein mag, an der Lehre der Kirche ändert sich dadurch nichts. Das Ausleben homosexueller Triebe ist moralisch falsch. Dies ist eine moralische Wertung, keine psychologische, medizinische oder therapeutische. Und alle Menschen sind dafür verantwortlich wie sie handeln (es sei denn sie unterliegen direktem körperlichem Zwang, was im Falle eines Sexualtriebs nicht der Fall ist, da wir nicht gezwungen sind, dem Sexualtrieb nachzugeben, wenn wir das nicht wollen). Also ist auch der homosexuelle Mensch für sein Handeln verantwortlich, egal wie die Wissenschaft sich die Tatsache erklärt, dass es Menschen mit solchen Anlagen gibt.

Auch hier ist wieder festzustellen, dass die Position der Kirche meist falsch dargestellt worden ist (auch und gerade von Vertretern der Kirche in der Hitze öffentlicher Debatten gerade in einer Zeit, in der man nicht die Möglichkeit bekommt, ausgefeilte, nuancierte Beiträge von einiger Länge zu schreiben, sondern einfach plötzlich irgendeine Frage vorgehalten bekommt, für deren Antwort man maximal eine Minute Zeit hat).

Homosexualität (1/5)

Eine Vorbemerkung

Kurz nach meinem Kirchenbeitritt führte ich ein Gespräch mit einem anderen Gemeindemitglied, in dem es unter anderem auch um die Frage der Homosexualität ging. Ich bekannte mich zur kirchlichen Position der Sündhaftigkeit gelebter Homosexualität und erntete heftigen Widerspruch, das sei ja diskriminierend und überholt. Die anschließende Diskussion führte zu nichts und das Gespräch endete sehr bald zwar höflich, aber ohne besondere Freundschaftlichkeit.

Das Gespräch motivierte mich dazu, einen Text zu schreiben, der die kirchliche Lehre zur Homosexualität kurz erläuterte, gegen einige populäre Missverständnisse bzw. Vorurteile zu verteidigen suchte, und sich dabei auf einem möglichst allgemeinverständlichen Niveau bewegte. Zudem unternahm ich den Versuch, jegliche Polemik zu vermeiden.

Anlässlich der seltsamen Äußerungen von Kardinal Woelki zu diesem Thema habe ich mich entschlossen, diesen alten Artikel wieder hervorzukramen, ihn zu überarbeiten (wodurch er an Länge zugenommen hat) und hier zu veröffentlichen. Er ist insofern ungewöhnlich für diesen Blog, als ihm – zumindest in der Absicht des Autors – jegliche Polemik oder undiplomatische Ausdrucksweise fehlt. Es ist schlicht der Versuch, das Fingerspitzengefühl aufzuweisen, um das Kardinal Woelki bei seinen Worten wohl bemüht gewesen sein dürfte, allerdings ohne dabei zu seltsamen Äußerungen zu kommen, die einen Bruch mit der kirchlichen Lehre suggerieren.

Einleitung

Kaum eine heutige Diskussion über den katholischen Glauben kommt ohne Debatte über Homosexualität aus. Denn selbst wenn der durchschnittliche Deutsche nichts über den Glauben weiß, so ist ihm doch bekannt, dass die Kirche „gegen Homosexuelle“ ist. Dies ist dem Deutschen in den Medien über Jahre hinweg bei jeder Gelegenheit eingehämmert worden, so dass man an dieser festen Überzeugung wahrlich nicht vorbeikommt. Dabei ist sie voll und ganz falsch, auch wenn dies vermutlich absolut unglaubwürdig klingt. Die Kirche ist nicht gegen Homosexuelle, sondern gegen gelebte Homosexualität. Und die Gründe dafür mögen dem Durchschnittsbürger zwar schleierhaft sein, doch es gibt sie. Ich möchte in den folgenden Zeilen zwei Ziele erreichen: Dem Leser erstens ein Grundverständnis vermitteln, was die Kirche zu diesem Thema glaubt (und es kann sich nur um ein Grundverständnis handeln, da das Thema mit fast allen anderen sittlichen Fragen zusammenhängt und eine gründliche Behandlung den Rahmen sprengte), und zweitens warum sie das tut.

Um dies effektiv zu ermöglichen ist allerdings ein kurzer Einschub zu der Frage notwendig, was die Kirche alles NICHT glaubt. Denn da gibt es einige falsche Fährten.

Falsche Fährten: Alle Homosexuellen kommen in die Hölle

Oft hört man, die Kirche lehre, alle Homosexuellen kämen in die Hölle. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach katholischer Lehre ist die Tendenz zur Homosexualität weder verwerflich noch sündig. Aufgrund der natürlichen Ordnung der menschlichen Sexualität auf die Fortpflanzung hin (biologischer Zweck des Sexualakts) widerspricht die homosexuelle Ausrichtung allerdings der natürlichen Ordnung. Sie kann also als fehlgeordnet bezeichnet werden (was keine religiöse, sondern eine rein weltliche Einsicht ist). Allerdings können Menschen in der Regel nichts für ihre Anlagen, egal ob sie angeboren, oder im frühen Kindesalter ansozialisiert wurden. Deswegen ist kein Mensch schuldig oder sündhaft, bloß weil er die Anlage zur Homosexualität hat. Um es zu wiederholen: Die Kirche glaubt nicht, dass Menschen mit homosexueller Triebstruktur per se sündig sind.

Und wenn sie schon das nicht glaubt, dann gilt das umso mehr für die Frage, ob Homosexuelle in die Hölle kommen. Eine homosexuelle Triebstruktur ist keine Sünde, weder eine lässliche noch eine Todsünde. Und selbst wenn, dann gäbe es immer noch das Sakrament der Buße, mit dem sich selbst schwerste Todsünden (bei Vorliegen von Reue) tilgen lassen. Die Kirche lehrt zudem, dass niemand die ewige Verdammnis erfährt, ohne dass er (im Nachhinein) das Urteil als gerecht ansieht.

Falsche Fährten: Verfolgung von Homosexuellen

Ein weiterer häufiger Irrtum ist, dass die Kirche für die Verfolgung oder Ausgrenzung von Menschen mit homosexuellen Tendenzen sei. Niemals hat die Kirche gelehrt, dass jemand nur wegen seiner Triebstruktur zu verfolgen sei. Heute legt sie (vollkommen zurecht) großen Wert darauf, dass es weder sündhaft noch strafbar sein sollte, eine bestimmte Triebstruktur zu haben, auch wenn diese (wie im Fall der Homosexualität) aus Gründen der natürlichen Struktur menschlicher Fortpflanzung objektiv fehlgeordnet ist.

Die Verfolgung von Menschen aufgrund irgendwelcher nicht-selbstverschuldeter Eigenschaften ist grundsätzlich sündhaft und kann niemals gerechtfertigt werden. Und eine Ausgrenzung oder Diskriminierung ist zwar nicht grundsätzlich abzulehnen, aber sie bedarf eines sehr guten Sachgrundes.

Falsche Fährten: Genetik und Sozialisation

Ein dritter Irrtum ist, dass die Lehre der Kirche voraussetzt, dass Homosexualität nicht angeboren ist. Es wird behauptet, wenn Homosexualität genetisch veranlagt sei, dann müsse es in Ordnung sein sie auszuleben. Doch ist die Frage der Ursache von Homosexualität, so wichtig sie für den konkreten Umgang mit der Anlage für die Betroffenen und ihr Umfeld sein mag, für die Frage nach der rein moralischen Bewertung irrelevant. Denn die Ausübung fehlgeordneter Antriebe ist grundsätzlich moralisch verwerflich, unabhängig davon, woher sie auch stammen mögen. Ob angeboren oder nicht, das Ausleben eines fehlgeordneten Triebes ist moralisch nicht zulässig.

Falsche Fährten: Sonderstellung der Homosexualität

Ein vierter Irrtum in der öffentlichen Meinung über die Lehre der Kirche ist, dass die Kirche Homosexuelle „ausgucke“ oder dergleichen. Doch auch dies ist absolut nicht der Fall. Gelebte Homosexualität ist nach der Lehre der Kirche moralisch falsch, und kann, da es sich um eine wichtige Sache handelt (menschliche Fortpflanzung und Sexualität sind für den Fortbestand der Spezies entscheidend, und daher enorm wichtig), das Niveau der Todsünde erreichen, wenn sie wissentlich und willentlich ausgelebt wird. Doch exakt dasselbe gilt auch für alle anderen sündhaften Tätigkeiten in wichtigen Sachen. Homosexuelle sitzen in demselben Boot wie wir alle. Wir alle haben einige Triebe und Wünsche, die nicht vereinbar mit der von Gott gegebenen moralischen Lehre sind, und wir alle machen uns einer Sünde schuldig, wenn wir diese Triebe und Wünsche ausleben. Die Sünde gelebter Homosexualität ist dabei in keiner Weise besonders herauszuheben. (Man muss immer die Sünden betonen, für die das Bewusstsein in der Gesellschaft gerade fehlt, damit dieses Bewusstsein erwacht, und so eine Umkehr der Menschen möglich wird. Heute, in Zeiten der „Normalisierung“ aller möglichen fehlgeordneten Triebstrukturen, ist dies eben die Homosexualität. Dies ist aber kein besonderes Merkmal der Homosexualität, sondern ein besonderes Merkmal unserer Zeit.) Sie ist in dem hier verfolgten Zusammenhang eine Sünde wie jede andere auch.

Woelki und der unheilige Zeitgeist

Kardinal Woelki, von manchen naiven Zeitgenossen gar als Hoffnung für den am Rande des Schismas taumelnden deutschen Episkopat gehandelt, beginnt nun langsam Flagge zu zeigen. Die Abkehr von der überlieferten, auf Jesus zurückgehenden Lehre der Kirche im Bereich der Ehe, die inzwischen zum Markenzeichen des Vorsitzenden der Bischofskonferenz geworden ist, findet nämlich nun auch mindestens zum großen Teil die Unterstützung des anfangs als „konservativ“ bezeichneten Erzbischofs von Berlin. So liest man bei kath.net:

Grundsätzlich ist die Ehe nach katholischer Lehre unauflöslich. Deshalb sind Geschiedene nach einer zweiten zivilen Eheschließung vom Empfang der Kommunion und auch von der Beichte ausgeschlossen, da sie laut gängiger Lehre der Kirche dauerhaft in einem Zustand schwerer Sünde leben.

Der Berliner Kardinal plädierte [im Gegensatz dazu] dafür, dass sich die katholische Kirche ntensiver [sic!] mit dem Weg der orthodoxen Kirche in dieser Frage auseinandersetzt. Auch die orthodoxe Kirche halte an der Unauflöslichkeit der Ehe fest; eine Scheidung und eine zweite Eheschließung würden dort allerdings toleriert. «Das erlaubt unter bestimmten Bedingungen die Zulassung zu den Sakramenten.»

In dem Interview warnte der Berliner Erzbischof zugleich vor einer Verurteilung von Homosexuellen. Auch der katholische Katechismus mahne, dass homosexuelle Menschen nicht «in ungerechter Weise zurückgesetzt» werden dürften. «Wenn ich das ernst nehme, darf ich in homosexuellen Beziehungen nicht ausschließlich den Verstoß gegen das natürliche Gesetz sehen», fügte der Kardinal hinzu. «Ich versuche auch wahrzunehmen, dass da Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, sich Treue versprochen haben und füreinander sorgen wollen, auch wenn ich einen solchen Lebensentwurf nicht teilen kann.» Die katholische Kirche stehe ein für die sakramentale Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, die offen ist für die Weitergabe des Lebens.

Nun, da haben wir so gut wie alle Zutaten, die auch sonst die Einlassungen deutscher Bischöfe ausmachen. Unklar in der Sache, undeutlich in der Form und entschieden in der Anpassung an den herrschenden Zeitgeist. Woelki spricht zwei Themen an, die natürlich eng miteinander verwandt sind: Die Zulassung von unbußfertigen Ehebrechern zur Kommunion und die Haltung der Kirche zu Homosexuellen. Die leidige Ehebrecherfrage zuerst:

Das Argument ist zu oft ausgeführt worden, als dass es noch eine Wiederholung vertrüge. Doch anscheinend geht es nicht anders. Die Kirche kann Menschen, die es vorziehen in schwerer Sünde zu verharren, nicht zur Kommunion zulassen, allein schon um zu verhindern, dass sie sich noch mehr schwere Sünden auf die Seele laden. Wenn die Kirche am Seelenheil der Menschen interessiert ist, und das muss doch das oberste Ziel aller Aktivitäten der Kirche, einschließlich ihrer „pastoralen“ Seelsorge sein, dann ist die Zulassung von Menschen, die in schwerer Sünde zu persistieren wünschen, einfach nicht richtig, weil die Seele der betroffenen Menschen dadurch weiteren Schaden erlitte. Doch da die Ehe unauflöslich ist, sind auch Menschen, die zivilrechtlich als „geschieden“ gelten, in Wahrheit vor Gott – und damit für die Kirche relevant – noch verheiratet. Gehen sie nun eine sexuelle Beziehung zu einer anderen Person ein, so handelt es sich offensichtlich um Ehebruch. Und Ehebruch ist, wenn er wissentlich und willentlich geschieht, offenbar eine schwere Sünde.

Damit ist die Frage eigentlich schon ganz klar. Natürlich muss man dann in der Seelsorge noch den richtigen Ton finden, und die richtigen Worte, wie man das möglichst schonend sagen kann. Doch inhaltlich die Sache klar. Jeder Katholik kann zur Kommunion gehen, es sei denn, er befindet sich im Stande der schweren Sünde. Die schwere Sünde kann durch die sakramentale Beichte vergeben werden. Doch dazu gehört die Reue. Wer aber gar keine Anstalten macht, sich von der Sünde abzuwenden, der zeigt keinerlei Reue. Der „wiederverheiratete“ Ehebrecher, um den es in der Debatte immer wieder geht, hat ja gar nicht die Absicht seinen Ehebruch einzustellen. Er hat nicht die Absicht, fortan „wie Bruder und Schwester“ mit seinem zivilrechtlichen Ehepartner zu leben. Er will nicht seine Sünden bekennen und bereuen; er will nicht umkehren. Er wünscht in seiner Sünde zu verharren. Eine Beichte wäre also ungültig. Der Empfang des Sakramentes der Beichte ist also nicht möglich, eine Zulassung zur Kommunion also auch nicht.

Wie windet sich der Kardinal nun aus dieser kirchlichen Lehre? Er spricht ganz klare Worte: Die Kirche soll zwar pro forma an der Unauflöslichkeit der Ehe festhalten, sie aber, nach Vorbild der Orthodoxen praktisch ignorieren. Man soll einfach so tun, als ob die Ehe nicht unauflöslich wäre. Und dann, wenn man die Ehe faktisch nicht mehr als unauflöslich sieht, dann kann man eine zweite Eheschließung auch nur als persönliche subjektive Option einstufen, die moralisch gar nicht mehr falsch wäre. Dem Empfang des Sakramentes stünde dann nichts mehr im Wege.

Das funktioniert natürlich nicht. Denn das Verbot der Ehescheidung ist kein menschliches, sondern ein göttliches Gesetz. Es ist nicht, dass die Kirche es nicht ändern wollte. Sie kann es nicht ändern. Gott hat die Ehe so geschaffen, dass sie ihrer Natur nach nicht aufgelöst werden kann. Selbst wenn irgendein Kirchenfürst – und sei es der von Rom – also dekretierte, in Zukunft sei in seinem Zuständigkeitsbereich die „Zweitehe“ zu „tolerieren“, änderte dies nicht einen Hauch an dem göttlichen Verbot der Ehescheidung. Die Ehe bleibt unauflöslich, und daher bleibt der Vollzug der „Zweitehe“ Ehebruch. Und damit bleibt der Kommunionempfang der unbußfertigen Ehebrecher schwere Sünde. Sie essen und trinken sich dann weiter das Gericht, nur diesmal mit dem Segen des Kardinals. Das kann die Kirche nicht ändern. Sie kann es nur ignorieren, worauf sich gerade die deutschen Bischöfe in ihrer Mehrzahl ja sehr trefflich verstehen.

Solange die Ehe unauflöslich bleibt, ist der Kommunionempfang der „Wiederverheirateten“ schwere Sünde. Eine Änderung der kirchlichen Lehre zum Thema Kommunionempfang wäre damit auch eine Abkehr von der Unauflöslichkeit der Ehe.

Und damit, Eminenz, eine Abkehr von Jesus Christus.

Ähnlich verhält es sich auch bei den politisch korrekten Floskeln zur Homosexualität, die der Kardinal in vorauseilender Kapitulation vor Zeitgeist und Homolobby äußert. Wenn Kardinal Woelki sagt, der Katechismus verbiete ungerechte Zurücksetzung von Homosexuellen, dann ist das natürlich richtig. Das bestreitet niemand. Doch es impliziert auch die Existenz gerechtfertigter Zurücksetzung. Nämlich immer dann, wenn es für die Ungleichbehandlung einen ausreichenden Sachgrund gibt. Dies ignoriert Woelki vollkommen. Er will stattdessen lieber „wahrnehmen“ wie achso wunderbar Homosexuelle einander treu sind. Für die Seelen der Betroffenen wäre es freilich besser, von ihren schweren Sünden abzulassen, statt ihnen weiter – mit kirchenfürstlichem Beifall, versteht sich – „treu“ anzuhängen.

Man stelle sich vor, Jesus hätte zu der Ehebrecherin nicht gesagt, sie solle gehen und nicht mehr sündigen, sondern sie solle ihrem ehebrecherischen Partner nur ja weiter „treu“ bleiben! Nein, Umkehr heißt immer Abkehr von der Sünde. Gerade auch von „himmelscheienden“ Sünden. Und wenn homosexuelle Akte, wie die Kirche lehrt, sündhaft sind, dann muss der Homosexuelle deutlich dazu aufgefordert werden – in wie pastoral freundlicher Form auch immer – von seiner Sünde abzukehren, umzukehren, um Vergebung zu bitten.

Doch davon spricht der Kardinal natürlich nicht. Wie käme er auch dazu, die Sünder zur Umkehr zu rufen! Was ist er denn? Ein Hirte? Nein, liebe Sünder, verbleibt ganz treu in euren Sünden. Übernehmt „Verantwortung“ für andere, die auch in ihren Sünden zu verharren wünschen – freilich keine Verantwortung für das Heil ihrer Seelen, denn dann müsstet ihr sie ja wieder zur Umkehr auffordern, und dass geht in Kirche von Heute bekanntlich nicht. Nein, übernehmt Verantwortung dafür, dass auch sie weiter „treu“ in ihren Sünden verharren. Und zwar, wie der Kardinal sagt, „dauerhaft“. Zumindest bis zum Ende des Lebens. Dann übernimmt nämlich der, für den ihr so sorgsam, treu und verantwortlich Seelen gewonnen habt. Umkehr ist für Reaktionäre. Die Neue Moderne Quirche Ist Nicht Mehr So.

Natürlich, verschwommen, unklar, kann man, wenn man es krampfhaft wünscht, in den Worten des Kardinals auch ein Bekenntnis zur kirchlichen Lehre finden. Er gesteht durchaus ein, dass die Kirche für die sakramentale Ehe zwischen Mann und Frau steht. Wie er ja auch pro forma – wen will er damit eigentlich täuschen? Gott? – an der „Unauflöslichkeit“ der Ehe festhalten und faktisch die „Aufgelöstheit“ von Ehen anerkennen will. Doch was bleibt von seinen Worten? Dass dieser Hirte kein Interesse an der Verteidigung der katholischen Wahrheit hat. Dass er nicht für die Umkehr der Sünder eintritt, sondern für die Aufweichung der Wahrheit, damit die Sünder sich wohlfühlen und die Kirche nicht mehr als Stein des Anstoßes sehen. Dass der Verführer der Seelen im Erzbistum Berlin freie Fahrt hat, damit sein Oberhirte nicht wieder von den Homo-Verbänden kritisiert wird.

Dass der Kardinal sich in die Reihe der entchristlichenden Neo-Reformatoren des Zeitgeists einzureihen wünscht.

Schade.

Die Krise der Kirche ist eine Krise der Bischöfe.